Wahlfach Atmosphären - Elective Course Atmospheres 2015
Im Gefängnis atmosphärische Räume entwerfen 2


In enger Zusammenarbeit und mit einem grossen Dank verbunden entstand dieses Wahlfach in den Justizvollzugsanstalten Aichach (Frauen) und Amberg (Männer).

Das neue Projekt im Winter 2015

Ausgehend von der Theorie der Atmosphäre können wir in ihr vier wesentliche Eigenschaften ausmachen:
1. Atmosphäre wirkt stark auf uns ein: Sie ist dasjenige, was zwischen den objektiven Qualitäten einer Umgebung und unserem Befinden vermittelt: wie wir uns befinden, vermittelt uns ein Gefühl davon, in was für einem Raum wir uns befinden.
2. Atmosphäre kann - gegenüber dem Raum - in mehreren Betrachtern eine ähnliche Befindlichkeit aufweisen. Als umfassende, weil diffuse Kategorie bietet sie in ihrer Unbestimmtheit einen Raum für Projektionen, der viele Sehnsüchte befriedigt. Diese konzeptionelle Einbeziehung der Wahrnehmung und Vorstellungswelt des Betrachters zeigt, dass Atmosphäre auch eine Verständnisbasis für Gemeinsamkeit sein kann.
3. Atmosphäre führt in der Filmtheorie zum Begriff der Immersion: es bedeutet das Eintauchen in eine künstliche Welt durch Auflösung der räumlichen Grenzen (die z.B. noch Theater und Oper bestimmten).
4. Atmosphären kreieren ist lernbar.
In diesem neuen Projekt wollen wir uns verstärkt auf das Thema der räumlichen Grenzen fokussieren und damit Begegnung, Austausch, Abgrenzung und Schutz räumlich behandeln. Abstrakt gesagt, es soll um das Thema Schnittstellen und Schnittmengen gehen.

Fragen an die Gefangenen: “wohin möchtest Du gehen, wenn Deine Zelle eine Tür auf der anderen Seite hätte? Was für ein Raum wäre das dann?”

Arbeitsziel

Der atmosphärische Raum soll nicht mehr nur auf die Zelle selber oder auf den visionären Wunschraum beschränkt werden. Beim letzten Workshop wurden Atmosphären für die eigene Zelle oder aber für entlegene, virtuelle Orte entworfen, z.B. Ferienorte, Bars etc. Dieses Mal soll exakt das Dazwischen beschrieben werden.
Es handelt sich nun nicht mehr um einen konkreten Raum (mit z.B. 4 Wänden), sondern ein Möglichkeitsfeld für verschiedene, individuelle Projektionen. Diese Projektionen können sich überschneiden mit anderen (Gemeinsamkeit, Begegnung) oder aber in Konflikt treten (Abgrenzung, Schutz).
Damit impliziert ist ein räumlicher Ausdruck (das ist die Brücke zu den Architekturstudierenden) und eine Entwicklung einer Imagination dieses Raumes (Gestaltung, Klima, Handlungen, Begegnungen), sowie die Formulierung dieser Idee (Kommunikation).
Das literarische Pendant ist der „Geheime Garten“ von Frances Eliza Hodgson Burnet aus dem Jahre 1905, also ein Raum, der real klar definierte und räumliche Definitionen aufweist, in seiner Funktion aber Fiktionsraum für eine offene Phantasielandschaft bietet.
Dieses Projekt soll in einem begrenzten zeitlichen Rahmen stattfinden (Workshop von 6 Stunden in einer JVA). Ausdrucksform soll ein Modell sein, dass an diesem einen Workshop gebaut und diskutiert werden kann.

Aufgabe der Gefangenen:
Zusammen mit ihrem/seinem Architekten/in eine Idee formulieren und diese räumlich umsetzen (also diese Idee als Modell bauen).
Aufgabe der Architekturstudierenden:
einer/m Bauherrin/Bauherrn aufmerksam zuhören und die formulierten Wünsche diskutieren und ihr/ihm beim Bau dieser Ideen beizustehen.

Ziel der Workshops:

Es werden Stimmungen formuliert und Zukunftsgedanken entwickelt. Eine Stimmung zu erzeugen ist ein sehr kreativer Akt und braucht, sollte es eine angenehme Stimmung sein, viel Empathie. Damit werden Synästhesien geschaffen - die gemeinschaftlich ähnliche Wahrnehmung einer Raumwirkung - das Gemeinsame kann gebaut werden, es wird entdeckt und es lässt sich sehen. Damit ist der Begriff von Atmosphäre schon weitgehend definiert: Es geht letztendlich um die Weise, wie eine Raumwirkung erfahren wird. Weiter erfahren alle beteiligten, wie Räume nun gesellschaftliche und kommunikative Charaktere annehmen können.
Die Idee der transformativen Räume soll auf einer rechteckigen, langen Holztafel realisiert werden. Ausgehend von kleinen quadratischen Rahmen, die auf dieses Brett gelegt werden und den jetzigen Alltagsraum symbolisieren, sollen die atmosphärischen Transformationsräume daran angebaut werden.

Grosser Dank an meine Studierenden:
Aichach: Julian Blochberger, Özge Tümerkan, Franziska Götz, Isabella Kusche, Nathalie Fricke, Anna Steinkamp, Isabel Ibanez Gomez, Katrin Benöhr, Oscar Acosta, Ana Isabel Camarillo Castaneda, Jonas Mielke, Christina Irger, Lena Koller, Alina Jurkat, Büsra Coşkun
Amberg: Volodymyr Khomyshyn, Anja Haimerl, Stefanie Schreiner, Katrin Hartl, Stephanie Fischer, Bärbel Haas, Omar Nabulsi, Cornelia Seemann, Alexandra Klein, Till Aurig